Katastrophenvorsorge auf der „Letzten Meile“
- MULTI-MAREX
- vor 24 Minuten
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Autoren: Klaus Reicherter (RWTH Aachen), Torsten Schlurmann (Leibniz Universität Hannover)
Erkenntnisse der ersten Fact Finding Mission (FFM) im Reallabor Kalamata, Griechenland
Im Rahmen des Verbundvorhabens MULTI-MAREX fand vom 31.3. bis 4.4.2025 die erste Fact Finding Mission Kalamata, Griechenland, unter kollegialer Leitung von Prof. Klaus Reicherter, Prof. Nicole Richter (RWTH) und Prof. Torsten Schlurmann (LUH) statt. Im Fokus stand die Aufnahme von Gesprächen zur Entwicklung von Bausteinen einer effektiven Katastrophenvorsorge im Zusammenhang mariner Gefahren mit lokalen Entscheidungsträger*innen und den nachgeordneten Verwaltungseinheiten. Ferner wurden vorhandenes Wissen über Gefährdungslagen und vergangene Extreme miteinander ausgetauscht und lokale Geodaten im Stadtgebiet und den benachbarten Küstenlagen durch ein wissenschaftliches Team von der RWTH und LUH vor Ort erhoben. Zudem wurden vertiefte Abstimmungen der Zusammenarbeit mit dem National Observatory Athens NOA und Mitgliedern des Hellenic Tsunami Warning Centres, Dr. Eleni Daskalaki und Dr. Nikos Kalligeris und der Agricultural Univ. Athens, Prof. Ioannis Papanikolaou verabredet, um die enge Verzahnung mit griechischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Rahmen des Vorhabens und vor allem im direkten Austausch mit der Stadt Kalamata zu gewährleisten.

Die Hafenstadt Kalamata liegt an der Südwestküste der Halbinsel Peloponnes und ist mit ca. 70.000 Einwohner*innen das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Region Messenien. Die Region wurde am 13. Sept. 1986 durch ein schweres Erdbeben (6,0 Moment-Magnitude) getroffen, das zu erheblichen Schäden im Stadtbild sowie zu zahlreichen Verletzten und Todesopfern geführt hatte. Neben der Gefährdung durch Erdbeben und Tsunami wird die Region regelmäßig von Sturz- und Sturmfluten belastet und ist durch eine fortschreitende Küstenerosion in der gesamten Bucht geprägt. Vor diesem Hintergrund ist Kalamata im Verbundvorhaben MULTI-MAREX, neben der unlängst durch anhaltende seismische Aktivität geprägten Insel Santorini, eine von zwei Standorten, die für die Entwicklung eines transdisziplinär ausgerichteten Reallabors vorgesehen ist. Im Zusammenhang des UNESCO-IOC Programms „Tsunami Ready“ sollen beide Reallabore mittelfristig im Zusammenspiel zwischen wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Akteurinnen und Akteuren weiterentwickelt und in der Katastrophenvorsorge gestärkt werden. Das UNESCO-IOC Programm sieht die Erfüllung eines 10 Indikatoren umfassenden Plans vor, der sukzessive die Bereiche der Abschätzung, Vorbereitung und Reaktion auf marine Gefahren adressiert und gemeinsam mit Entscheidungsträger*innen auf der „Letzten Meile“ zur effektiven Minderung von Risiken und Verlusten vorbereitet. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden Letters of Intent von beiden Seiten unterzeichnet. Ferner wurden in einem kleinen Kolloquiums an der Agricult. Univ. Athens am 3.4.2025 das MULTI-MAREX Projekt präsentiert und erste Ergebnisse zur Paläotsunami-Untersuchungen auf der Peloponnes vorgestellt.

In der Stadt Kalamata konnten zahlreiche Gespräche und vertrauensvolle Abstimmungen unter Leitung des Stellvertretenden Bürgermeisters für Strategische Planung und Klimaanpassung, Vassilis Papaefstathiou, sowie weiteren Vertreterinnen und Vertretern in den Bereichen Katastrophenschutz, Hafenverwaltung, Tourismusverbands, Wasserver- und -entsorgung und Küstenwache geführt werden. Während des Aufenthalts konnten auch Maßnahmen des Katastrophenschutzes und eine Evakuierungsübung begleitet werden. Die vor Ort erhobenen Geodaten leisten die wertvolle Grundlage zur Validierung von Digitalen Modellen und liefern darüber hinaus wichtige Informationen zur Initialisierung von Tsunami-Modellierungen. Insgesamt ein sehr gelungener Auftakt, der den Grundstock für die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit gelegt hat.

Der Austausch wird mit einem Gegenbesuch von Vertreterinnen und Vertretern der Stadt Kalamata, vom NOA, der Agricultural und National University of Athens beim MULTI-MAREX Jahrestreffen an der RWTH Aachen Ende Mai 2025 fortgeführt.
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